Arzt gibt Frau eine Diagnose, die sie in Angst versetzt

Fehldiagnose: Warum Diagnosen gefährlich sind

Raik Garve

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In diesem Blogartikel wollen wir über ein Thema sprechen, das viele unterschätzen, nämlich das Thema Diagnosen von Krankheiten und auch die Gefahr, die sich aus Diagnosen ableiten lässt. Leider ist dieses Wissen viel zu wenigen Ärzten bekannt und Fehldiagnosen häufiger als gedacht.


Inhaltsübersicht

Was ist eine Diagnose genau?

Anfangs solltest du dir die Frage stellen, was eine Diagnose ist? Das Wort Diagnose stammt ursprünglich aus dem Griechischen von "Diagnosis" und bedeutet, wenn man es wörtlich übersetzt, “dia” auf Deutsch hindurch und "Gnosis" übersetzt Wissen oder Erkenntnis.

Bezogen auf die moderne Heilkunde und Medizin bedeutet es, dass man Symptome, die bei einem Menschen erhoben wurden, versucht, durch sein Wissen und Weltbild zu bewerten, zu beurteilen und einzusortieren.

Man erschafft mit der Diagnosestellung ein neues Abstraktum, das vorher überhaupt nicht existierte. Vor der Diagnose gibt es nur subjektive und objektive Symptome. Symptome sind wertfrei.

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Die Entstehung von Diagnosen bzw. Fehldiagnosen

Jetzt schafft man ein Krankheitsbild, indem man bestimmte Symptome zusammenfasst. Zum Beispiel fasst man Symptome A, B und C zusammen und entsteht dadurch Krankheitsbild XY. Oder man fasst Symptome drei, fünf und sieben zusammen und es entsteht dadurch ein völlig anderes Krankheitsbild, Krankheitsbild Z beispielsweise.

Ein aktuelles Beispiel ist Covid-19. Bekannte Symptome werden zusammengefasst und mit einem Krankheitsnamen “etikettiert”. Die Symptome bei Covid-19 sind gemäß infektionsschutz.de:

Halsschmerzen, Heiserkeit, Husten, Fieber, Schnupfen sowie Störungen des Geruchs- und/oder Geschmackssinns. Weitere Symptome sind beispielsweise Atemnot, Kopf- und Gliederschmerzen, allgemeine Schwäche, Lymphknotenschwellung, Hautausschlag, Bindehautentzündung oder auch Magen-Darm-Beschwerden wie Übelkeit, Appetitlosigkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Durchfall.

Wenn diese genannten Symptome einzeln betrachtet werden, können auch ganz andere Krankheiten als SARS-CoV-2-Infektion diagnostiziert werden. Symptome geben eine neutrale Sicht, Diagnosen sind immer Interpretation.

Das bedeutet, je nach den erhobenen Befunden kann man unterschiedliche Diagnosen stellen. Bei falscher Interpretation entstehen Fehldiagnosen.

Die Krankheit kommt mit der Diagnose, vorher waren es nur Beschwerden.

Helga Schäferling (*1957), deutsche Sozialpädagogin


Diagnosen sind dem Zeitgeist unterstellt

Es ist wichtig zu verstehen, dass Diagnosen von Zeitgeist und Modetrends beeinflusst sind. Früher glaubte man, dass Krankheitsbilder oder Symptomatik durch böse Geister entstehen. Dann dachte man, es sind Bakterien oder Viren.

Jetzt glaubt man, dass auch die Gene einen bedeutenden Einfluss haben. Mittlerweile geht man aber schon einen Schritt weiter und sagt, dass es auch Faktoren außerhalb der Gene gibt, die durch unsere tägliche Lebensweise repräsentiert werden.

Das heißt also, du solltest dich nicht nur auf ein Weltbild festlegen. Viele Menschen wollen sich an ein Modell anhaften, aber letztendlich sind das alles Erklärungen, die dem Zeitgeist unterliegen.

Symptome sind also dem Zeitgeist nicht unterlegen, aber Diagnosen und die Entstehung von Krankheitsbildern unterliegen sehr wohl dem Zeitgeist.


Die drei Arten von Diagnosen

Es gibt drei Arten von Diagnosen, die Ärzte und Therapeuten praktizieren.

Zwei Therapeuten schauen unsicher auf zwei Röntgenbilder


Die Ausschlussdiagnose

Es gibt sogenannte Ausschlussdiagnosen. Wenn man zum Beispiel einen Patienten hat mit einem Verdacht auf einen Herzinfarkt, dann sollte man erstmal diesen Notfall ausschließen oder auch andere akute Gefahren, bevor man nach anderen Krankheitsbildern sucht.

Bei Verdacht auf aufgerissene Blutgefäße im Körper muss man diese Vermutung zuallererst ausschließen, da eine innere Blutung schnell zum Tod führen kann. Falls der Verdacht zutrifft, muss man sofort nach Notfallkriterien behandeln. Bei einer Ausschlussdiagnose will man immer einen Notfall ausschließen.


Die Arbeits- und Verdachtsdiagnosen

Die zweite Art von Diagnosen sind die klassischen Arbeits- und Verdachtsdiagnosen, also das, was man täglich als Therapeut verwendet. Hier untersucht der Arzt den Patienten, erhebt die Befunde, nimmt Laboruntersuchungen zurate usw.

Anschließend erstellt er aufgrund all dieser Informationen eine Verdachtsdiagnose. Wie der Name schon sagt, ist diese Diagnose nicht zu 100% sicher. Der Therapeut notiert in seinem Befund V. a, d.h. Verdacht auf, und dann kommt die Krankheitsbezeichnung dahinter.


Die Differenzialdiagnose

Es gibt auch die sogenannte Differenzialdiagnose, die angewandt wird, wenn jemand beispielsweise Schmerzen im Bauch hat, aber man nicht genau weiß, was die Ursache ist.

Dann muss der Arzt erst einmal lernen, zu differenzieren. Beispielsweise kann es vom Magen kommen, von der Leber, vom Darm, von der Niere oder vom Unterleib.

Du musst also differenzieren, von welchem Krankheitsprozess diese Symptomatik stammen könnte. Das sind die kurzen Erklärungen für die drei Diagnosearten.

In diesem Bereich sind Diagnosen sinnvoll.

Die moderne Diagnose deckt mehr auf als dem Patienten gut tut.

Hans-Jürgen Quadbeck-Seeger (*1939), Prof. Dr., deutscher Chemiker


Wieso Diagnosen gefährlich sein können

Aber jetzt möchte ich mit dir über den Bereich sprechen, wo Diagnosen gefährlich und sehr problematisch sein können. Nämlich, was viele nicht verstehen, ist in dem Moment, wo eine Diagnose gestellt wird, entsteht automatisch eine Prognose.

Es ist wie eine Art Ehe und der Partner der Diagnose ist immer die Prognose, und zwar die Prognose der Diagnose. Das Krankheitsbild, was man jetzt mit der Diagnose erschaffen oder bezeichnet hat, hat auch immer eine entsprechende Prognose, was den Verlauf angeht.

Prognose kommt ebenfalls aus dem Griechischen und heißt Vorwissen. Und dieses Vorwissen basiert auf selbst gemachten Erfahrungen, aber auch auf den Erfahrungen von Menschen aus den Medizinbüchern.

Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass Diagnosen vom derzeit vorherrschenden Menschen- und Weltbild abhängen. Das heißt also zum Beispiel, jemand bekommt die Diagnose, dass er eine bösartige Erkrankung hat.

Mit dieser Diagnose ist schon die Prognose verbunden, er hat dann eine Überlebenswahrscheinlichkeit von vielleicht noch 10%. Was macht das mit den Menschen? Ganz klar, es nimmt ihm jegliche Art von Hoffnung.

Denn es erzeugt Angst und schürt Hoffnungslosigkeit. Wenn das Leben mit der Diagnose stark von Angst und Hoffnungslosigkeit geprägt ist, dann ist es eine sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Das ist das Gefährliche an Diagnosen. Denn Diagnosen können auch falsch sein, sogenannte Fehldiagnosen.

Es gibt einen Witz unter Therapeuten, da sagt man "Drei Ärzte und vier Diagnosen", was nichts anderes bedeutet, als dass Therapeuten Fehldiagnosen machen können.

Viele Ärzte überschätzen ihre Fähigkeiten, kritisieren Forscher, und fordern gezielte Maßnahmen, um im schlimmsten Fall tödliche Fehldiagnosen zu vermeiden.

Arthur Elstein, emeritierter Professor von der University of Illinois in Chicago, hat sich fast sein gesamtes Berufsleben lang mit Irrtümern der Götter in Weiß beschäftigt. Nach seiner Schätzung liegen Mediziner in etwa 15 Prozent aller Fälle falsch.


Der Trugschluss der Technik in der Medizin

Jetzt könnte man sagen, um die Fehldiagnosen der Menschen zu reduzieren, sollte man vermehrt Programme entwickeln, die künstliche Intelligenz nutzen, um so Fehldiagnosen zu vermeiden.

Künstliche Intelligenz Arzt wird eingesetzt um Fehldiagnosen zu vermeiden

Denn eine korrekte Diagnose hängt immer vom Erfahrungsschatz des Therapeuten ab. Ein erfahrener Therapeut hat bessere Erfolge als Anfänger.

Es gibt bereits sogenannte Apps, um Diagnostik zu betreiben. Ein wichtiger Aspekt, den viele in ihrer Begeisterung für diese neue Technologie jedoch nicht berücksichtigen, ist, dass die Genauigkeit der Diagnose von dem Weltbild abhängt, mit dem das Programm ursprünglich entwickelt wurde.

Denn die App kann nur auf der Grundlage eines programmierten Datensatzes Diagnosen durchführen. Das bedeutet, dass die App und die Diagnose eines KI-Programms nur so gut sind wie die ursprüngliche Programmierung und die Daten, die dem Programm zur Verfügung gestellt wurden.

Ein KI-Programm mit einem falschen Weltbild über den menschlichen Körper produziert folgerichtig lauter Fehldiagnosen.

Dr. Welch und Dr. Blech untersuchten mit Daten von großangelegten Screening-Versuchen, mit welchem Ausmaß Fehldiagnosen vertreten sind. Sie fanden heraus, dass etwa 25% der aller durch Mammographie gefundenen Brustkrebs und ca. 60% aller Prostatafälle durch Antigentest entdeckt wurden, Überdiagnosen sein könnten.

Eine Überdiagnose ist keine Fehldiagnose, sondern eine tatsächlich vorhandene “Krankheit”, die aber während des gesamten Lebens des Patienten niemals schlimme Symptome verursachen würden.


Die moderne Medizin ist nicht immer sachlich

Ein einfaches Beispiel dafür ist, wenn jemand eine Diagnose bekommt, die als gut oder bösartig bewertet wird. Das hat nichts mit objektiver Sachlichkeit zu tun, sondern spiegelt sich in den religiösen und kirchlichen Hintergründen der Medizin wider.

Das bedeutet, wenn man anfängt, Dinge als gut oder bösartig zu beurteilen, verlässt man die Ebene der Naturwissenschaft und befindet sich wieder im Bereich der Religion und der Kirche. Und leider ist das heute immer noch der Fall.

Das ist der Grund, warum ich sage, dass Diagnosen gefährlich sind. Auch Fehldiagnosen und die entsprechende Prognose wirken wie eine selbsterfüllende Prophezeiung. Das ist der sogenannte Nocebo-Effekt. Also das Gegenteil des berühmten Placebo-Effekts. Die Vorstellung einer Krankheit alleine kann sie verursachen oder verstärken.

Wenn Menschen heute eine Verdachtsdiagnose hören, haben sie sofort ein ungutes Gefühl und gehen ins Internet, um sich zu informieren. Sie schauen bei Wikipedia oder auf anderen Portalen nach und sehen dann schon die Prognose mit der Überlebenswahrscheinlichkeit.

Es kann sogar passieren, dass eine Blutprobe im Labor vertauscht wurde und es deshalb eine Fehldiagnose ist. Der betroffene Mensch denkt dann u. U., er muss in den nächsten Monaten sterben, obwohl das nicht der Fall ist.

Tod verkünden heißt Tod geben.

Christoph Wilhelm Hufeland (1762 - 1836), deutscher Mediziner, königlicher Leibarzt von Preußen


Zusammenfassung

Diagnosen sind sinnvoll, um therapeutisch zu arbeiten, keine Frage. Aber sie werden gefährlich, wenn sie zu Diagnoseschocks führen oder sie ganz einfach Fehldiagnosen sind.

Es ist also entscheidend, wie eine Diagnose kommuniziert wird. Als Arzt und Therapeut sollte man immer den Nocebo-Effekt (umgekehrter Placebo) berücksichtigt werden.

Deswegen sollte man von verschiedenen Therapeuten und Spezialisten Erfahrungen einholen. Es können unterschiedliche Diagnosen von entsprechenden Spezialisten kommen. Der eine sagt womöglich, es ist gefährlich, der andere sagt, es ist völlig harmlos.

Für den Therapeuten mag der Unterschied von einer Fehldiagnose und einer korrekten Diagnose klein sein. Aber für den Menschen kann es mit Leben oder Tod verknüpft sein, zumindest in der Assoziation im Kopf. Und das ist das Gefährliche an Diagnosen.

Ich wünsche dir alles Gute und vor allem bleib gesund.

Über den Autor RAIK GARVE

Raik Garve ist seit 2005 Gesundheitslehrer und Dozent in der Erwachsenenbildung. In seinen im gesamten deutschsprachigen Raum gehaltenen Vorträgen, Seminare und Webinaren vermittelt er seit vielen Jahren verständlich und praxisnah das gesamte Spektrum der Schul-, Natur- und Informationsmedizin. Das Ziel seiner Arbeit ist die Synthese von Erkenntnissen der klassischen Lehrschulmedizin mit der Jahrtausende alten Erfahrungsheilkunde zu einem für jeden Menschen leicht nachvollziehbaren und praktisch im Alltag umsetzbaren Gesamtkonzept. Mit diesem Wissen kann jeder zum Experten für die eigene Gesundheit werden.

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